Ehrenpreis 2015
Erstmals in seiner 25-jährigen Geschichte vergibt das filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern seinen Ehrenpreis, den „Goldenen Ochsen“, an einen Drehbuchautoren, nämlich Wolfgang Kohlhaase, Jahrgang 1931.
Damit ehrt das filmkunstfest einen Meister seines Fachs, dessen außergewöhnliches Lebenswerk sechzig produktive Jahre als Drehbuchautor für die DEFA als auch den gesamtdeutschen Film nach 1990 umfasst. Während seiner beispiellosen Karriere schuf Kohlhaase die Drehbücher für etliche DEFA-Klassiker, darunter Berlin – Ecke Schönhauser (1957, Regie: Gerhard Klein), Ich war neunzehn (1968, Regie: Konrad Wolf), Der Aufenthalt (1983, Regie: Frank Beyer) und Solo Sunny (1980, Regie: Konrad Wolf), bei dem er auch Ko-Regie führte, und für den Kohlhaase beim Chicagoer Filmfestival 1980 die Goldene Plakette für das beste Drehbuch erhielt.
Schon vor 1989 arbeitete Wolfgang Kohlhaase auch mit westdeutschen Regisseuren und Produktionsfirmen zusammen, schrieb z.B. das Drehbuch für Bernhard Wickis Die Grünstein-Variante (1984). Nach 1990 setzte er seine erfolgreiche Arbeit fort, schrieb unter anderem für Volker Schlöndorff das Drehbuch zu Die Stille nach dem Schuss (2000).
Besonders erfolgreich geriet die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Andreas Dresen (Jahrgang 1963), für den er z.B. die Vorlagen für Sommer vorm Balkon (2005), Whisky mit Wodka (2009) und zuletzt Als wir träumten nach dem Roman von Clemens Meyer schrieb, der auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2015 seine Weltpremiere feierte.
Mit seiner am Neorealismus geschulten, lebensechten Erzählweise und seinem hintersinnigen Witz hat Wolfgang Kohlhaase Fabeln entworfen, in denen existentielle Themen mit Blick auf das Publikum auf unterhaltsame, inspirierende Weise verhandelt wurden. Dabei hat sich Wolfgang Kohlhaase stets als präziser Beobachter gesellschaftspolitischer Verhältnisse und ihrer Folgen für das Leben von Individuen erwiesen – dies stets mit großer geistiger Unabhängigkeit, auch wenn er die nachhaltige Prägung durch die Aufbaujahre der DDR nie verleugnet hat. Als Autor, der sich vorbehaltlos „für Menschen interessiert“ und als Gegner jeglicher Schwarz-Weiß-Malerei, hat Kohlhaase ein beeindruckendes Ensemble plastischer und authentischer Figuren erschaffen, deren Schicksale die nationale wie internationale Filmgeschichte bereichert haben.
„Mit Wolfgang Kohlhaase ehren wir einen der besten Drehbuchautoren des deutschsprachigen Kinos, dessen Lebenswerk sechzig Jahre deutsch-deutscher Filmgeschichte umfasst“, sagt Volker Kufahl über den diesjährigen Ehrenpreisträger. „Wir freuen uns, diese beeindruckende Spanne eines kreativen Lebens in einer Hommage abzubilden und Wolfgang Kohlhaase dazu als Gast begrüßen zu dürfen“, so Kufahl.
Zur Hommage des filmkunstfests gehört unter anderem der erste Spielfilm, zu dem Wolfgang Kohlhaase als Drehbuchautor hinzugezogen und der 1952 größtenteils in Schwerin gedreht wurde: Die Störenfriede (Regie: Wolfgang Schleif). Dieser ungewöhnliche Film über eine Jugend im aufstrebenden Staat DDR wird in Anwesenheit einiger Beteiligter in einer Sondervorführung am 10. Mai 2015 gezeigt. Auch der aktuelle Kinofilm von Regisseur Andreas Dresen, Als wir träumten, Kohlhaases bislang letzte Drehbucharbeit nach dem Erfolgsroman von Clemens Meyer, wird beim filmkunstfest 2015 zu sehen sein.
Wolfgang Kohlhaase ist Ehrenmitglied des Verbandes der Deutschen Drehbuchautoren (VDD). 1990 erhielt er den Ernst-Lubitsch-Preis des Clubs der Berliner Filmjournalisten und den Helmut-Käutner-Preis der Stadt Düsseldorf, 2010 den Goldenen Ehren-Bären der Berlinale und 2011 den Ehrenpreis der Deutschen Filmakademie für sein Lebenswerk.
Den Ehrenpreis des filmkunstfestes Mecklenburg-Vorpommern der „Goldene Ochse“, vergeben für herausragende Beiträge zur nationalen Filmkultur, erhielten bisher u.a. Mario Adorf, Michael Gwisdek, Senta Berger, Bruno Ganz, Hannelore Elsner, Michael Ballhaus, Otto Sander und Hanna Schygulla.
Der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern und Schirmherr des Festivals Erwin Sellering überreicht Wolfgang Kohlhaase den Ehrenpreis am 9. Mai 2015.